(Letzte Bearbeitung / last updated on 12/09/2024)
16.7.1913 in Alzey, 28.10.2003 in Cincinnati
Erich Liebmann ist der Sohn von Emil und Laura Liebmann, geb. Koch, und somit der Neffe von Ludwig und Thekla Koch aus Alzey. Er wurde am 16. Juli 1913 in Alzey geboren und wuchs dort in einer sehr liberalen und erfolgreichen jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Nach dem Abitur begann er in Frankfurt ein Jurastudium. Mit der Machtergreifung Hitlers, dem Boykott jüdischer Geschäfte und der einsetzenden Entrechtung der jüdischen Bevölkerung 1933 zeichnete sich für ihn eine aussichtslose Situation in Deutschland ab. Am 7. Mai 1935 emigrierte er im Alter von 21 Jahren rechtzeitig aus Deutschland und reiste von Le Havre aus mit der „S. S. Manhattan“ nach New York, wo das Schiff am 16. Mai anlegte. Seine Schwester Alice Helene lebte zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Mann Ernst Emanuel Koch und ihren beiden Kinder in Offenbach. Seine Mutter gab im November 1935 ihr Geschäft in Alzey auf und zog ebenfalls nach Offenbach.
1936 besuchte die Mutter Ernst in Cincinatti, kehrte im gleichen Jahr jedoch wieder nach Deutschland zurück. 1938 folgten ihm schließlich die Familie der Schwester sowie die Mutter in die USA. Sie ließen sich in New York nieder. Erich Liebmann dürfte ihnen für die Ausreise den Weg bereitet haben.
In den Briefen von Ludwig und Thekla Koch an ihre Enkelin Lieselotte wird auf Erich Liebmann an mehreren Stellen Bezug genommen. Erich hatte sich offensichtlich darum bemüht, für seinen Onkel und seine Tante als Alzey die Einreise in die USA zu organisieren und hatte die Bürgschaft dafür übernommen. So heißt es in einem Schreiben vom 21.01.1941 an die Enkeltochter in Chicago: „Denk Dir, liebes Kind, in dem einen Brief war eine Bürgschaft für uns, vom lieben Erich ausgestellt. Da kannst Du Dir unsere Aufregung denken, ob wir erleben, Euch alle nochmals zu sehen.“ Und in einem weiteren Schreiben vom 06.03.1941: „Unsere Bürgschaft vom lieben Erich ist gut und frugen wir in Stuttgart[dem amerikanischen Konsulat] an, ob dieselbe auch schon dorten ist, wir hörten nur von Laura[Ludwigs Schwester], daß das Original nach dorten abgesandt ist. Es geht alles so langsam und ich glaube, daß noch eine geraume Zeit drauf geht, bis wir einmal an eine Reise denken können“. Zur Ausreise sollte es nicht mehr kommen, Onkel und Tante wurden am 28. September 1942 von Darmstadt nach Theresienstadt deportiert.
Erich heiratete am 15. Februar 1942 in Cincinatti Lilly Hamermann (1920-2015), eine jüdische Emigrantin aus Wien. Das Paar blieb ohne Kinder. Er starb am 28. Oktober 2003 im Alter von 90 Jahren in Cincinatti. Der Lokalhistoriker Dieter Hoffmann, der die jüdischen Geschichte in Rheinhessen wie kein anderer erforscht hat, schreibt in einem Nachruf über Erich Liebmann, mit dem er in engem persönlichen Kontakt stand und den er als „letzten jüdischen Alzeyer Bürger“ bezeichnet: „Trotz allen Unrechts war sein Denken und Fühlen nicht von Bitterkeit bestimmt, sondern von dem Wunsch, »das Andenken an eine einstmals stolze und tatkräftige Gruppe von Mitbürgern, die so zu Schande wurde, zu würdigen.« Wenn Erich Liebmann von Alzey sprach, war seine Rede getragen von einem Grundton melancholischer Zuneigung für seine geliebte Vaterstadt.“2Hoffmann 2005, S. 108.
Referenzen in den Briefen:
↑ Deutsch ↓ Documentss
Erich Liebmann is the son of Emil and Laura Liebmann, née Koch, and thus the nephew of Ludwig and Thekla Koch from Alzey. He was born in Alzey on July 16, 1913 and grew up there in a very liberal and successful Jewish merchant family. After graduating from high school, he began studying law in Frankfurt. With Hitler’s seizure of power, the boycott of Jewish businesses and the beginning disenfranchisement of the Jewish population in 1933, he found himself in a hopeless situation in Germany. On May 7, 1935, at the age of 21, he emigrated from Germany in time and traveled from Le Havre on the “S. S. Manhattan” to New York, where the ship docked on May 16. At this time, his sister Alice Helene was living in Offenbach with her husband Ernst Emanuel Koch and their two children. His mother gave up her business in Alzey in November 1935 and also moved to Offenbach.
In 1936, his mother visited Ernst in Cincinatti, but returned to Germany in the same year. In 1938, his sister’s family and his mother finally followed him to the USA. They settled in New York. Erich Liebmann presumably paved the way for their emigration from Germany.
In the letters from Ludwig and Thekla Koch to their granddaughter Lieselotte, reference is made to Erich Liebmann in several places. Erich had obviously tried to organize the entry into the USA for his uncle and aunt from Alzey and had taken over the guarantee for this. In a letter dated January 21, 1941 to their granddaughter in Chicago, Ludwig and Thekla wrote: “Remember, dear child, in the one letter there was a guarantee for us, issued by dear Erich. You can imagine our excitement at the prospect of seeing you all again.” And in another letter dated March 6, 1941: “Our guarantee from dear Erich is good and we asked in Stuttgart [the American consulate] whether it is already there, we only heard from Laura [Ludwig’s sister] that the original has been sent there. Everything is going so slowly and I think it will be a long time before we can even think about traveling.“ It was not to come to the departure, uncle and aunt were deported from Darmstadt to Theresienstadt on September 28, 1942.
Erich married Lilly Hamermann (1920-2015), a Jewish emigrant from Vienna, in Cincinatti on February 15, 1942. The couple remained without children. He died in Cincinatti on October 28, 2003 at the age of 90. The local historian Dieter Hoffmann, who researched Jewish history in Rheinhessen like no other, wrote in an obituary about Erich Liebmann, with whom he was in close personal contact and whom he described as the “last Jewish citizen of Alzey”: “Despite all injustice, his thoughts and feelings were not determined by bitterness, but by the desire »to honor the memory of a once proud and energetic group of fellow citizens who were so disgraced.« When Erich Liebmann spoke of Alzey, his speech was characterized by an underlying tone of melancholy affection for his beloved hometown.”3Hoffmann 2005, p. 108.
References in the letters:
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Anmerkungen / Notes
- 1Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin. / Private property of the Frumin family.
- 2Hoffmann 2005, S. 108.
- 3Hoffmann 2005, p. 108.
- 4Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin. / Private property of the Frumin family.
- 5Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin. / Private property of the Frumin family.
- 6Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin. / Private property of the Frumin family.